Der Rahmen

Rennräder, insbesondere Stahlrahmen üben eine gewisse Faszination auf mich aus. Schon länger spielte ich mich mit dem Gedanken einen alten Stahlrahmen mit modernen Komponenten neu aufzubauen. Irgendwann wurde ich im Netz fündig und ich kaufte mir diesen Rahmen. Der Rahmen wurde von meinem Vorbesitzer in Italien gekauft und nach Deutschland importiert. Dort hat er ihn sandstrahlen und schwarz lackieren lassen. Da er noch zwei weitere Rahmen bearbeitete bot er diesen hier zum Verkauf an.

Eigentlich muss man so einen Klassiker ja im Originalzustand erhalten. Da aber von den Originalteilen nichts mehr vorhanden ist, ist dieser Rahmen wie gemacht für mich. Ich kann ihn ganz skrupellos modern aufbauen und muss kein schlechtes Gewissen haben.

Ziel ist also ein moderner Aufbau eines Klassikers. Es soll eine moderne Schaltung (2/10-fach) ran und moderne gut funktionierende Bremsen. Bei der Schaltung wünsche ich mir eine Campagnolo. Nicht weil ich eine Abneigung gegen Shimano hätte, sondern weil ich den Daumenhebel einfach bevorzuge. Es sollen neue halbwegs leichte und steife Laufräder ran und wenn möglich sollte das komplette Rad unter 10 kg bleiben. Mal sehen ob ich das alles umsetzen kann.



So hängt er nun in meiner Werkstatt im Keller. Interressant sind die kleinen Ösen hinten an den Ausfallenden. Die dienten wohl zur Befestigung eines Schutzbleches. War wohl mal ein Randonneur.

Rahmengewicht ca. 2100g.
Rahmenhöhe 55,5cm italienisch gemessen.

Der Hinterbau hat eine Breite von 126mm. Hier soll später mal ein modernes Laufrad rein. Moderne Naben haben eine Breite von 130mm. Fehlen 4! Normalerweise ist das kein Problem. Beim Einbau des Hinterrades zieht man die Streben einfach ein bisschen auseinander und das Rad hat locker Platz. Das Vicini erwies sich aber als etwas widerspenstig! Ursache war diese kleine Strebe hinter dem Tretlager:



Diese verleiht dem Hinterbau eine außerordentliche Stabilität! Also musste der Hinterbau fachmännisch aufgeweitet werden. Eine Anleitung dazu gibt es auf der Homepage von Sheldon Brown.



Mit gefühlvoller Gewalt habe ich dann den Rahmen auf die nötigen 130mm aufgeweitet. Wobei ich sagen muss, dass diese dünnen Rohre doch eine außerordentliche Stabilität aufweisen. Ich musste doch einiges an Kraft aufwenden!

Eine schöne Gabel war auch dabei:



Bis auf ein paar kleine Schäden am Chrom in einem sehr ordentlichen Zustand! Und besonders schwer ist sie auch nicht. Ca. 730g ist für eine Stahlgabel ein guter Wert.



Folgt der Einbau. Dazu muss natürlich erst mal ein Steuersatz eingebaut werden. Zum Einsatz kommt ein Tange Cartridge in der Aluminium-Version. Gewicht ca. 80g. Hier in seinen einzelnen Teilen kurz nach dem auspacken:



Und hier beim Einbau:



Vorsicht beim Einbau eines Alu-Steuersatzes! Ein Steuersatz aus Stahl kann auch mal mit Hammer und Holzklotz eingetrieben werden. Aluminium-Steuersätze vertragen keine Schläge! Dafür hat der Fachhändler um die Ecke passendes Spezialwerkzeug, oder man baut sich selber eins. Ich habe ihn mit zwei Holzklötzen und einer kräftigen Zwinge eingepresst. Aufpassen, dass er nicht verkantet! Das Ganze funktioniert auch mit zwei Klötzen und einer durchgesteckten Gewindestange.
Auf der Gabel den Gabelkonus aufbringen und anschließend die Gabel einbauen. Das Ganze sieht dann so aus:



Gewicht Rahmen incl. Gabel: ca. 2910g.

Jetzt wird der Vorbau eingebaut. Ich habe mich für einen Deda Murex mit 100mm Länge entschieden. Er hat nicht die klassische Form, sondern ist etwas moderner,  aber mir gefällt das Design. Auch ist er nicht unbedingt ein absolutes Schnäppchen, aber er hat den Vorteil, dass der Lenker nicht durchfädeln braucht, sondern jederzeit durch das Lösen der beiden Schrauben demontiert werden kann. Ähnlich wie bei den modernen Ahead-Vorbauten. Das war's mir Wert. Gewicht: ca. 310g.





Der hier eingebaute Lenker in schwarz geht  meiner Meinung nach überhaupt nicht! Da aber Lenker in moderner Form und in silber schwer zu bekommen sind, habe ich einfach den später sichtbaren Teil des Lenkers abgeschliffen und auf hochglanz poliert.



So passt das!
Gewicht des Lenkers: ca. 280g.

Unten am Tretlagergehäuse müssen die Züge vorbei geführt werden. Für die Zugführung sind bei alten Stahlrahmen oft kleine Stege aufgelötet durch welche dann die Züge geführt werden. Nicht so bei diesem Rahmen. Dieser Rahmen hat unten am Tretlagergehäuse ein 8mm Loch.



Dieses Loch dient dazu dass evtl. eingedrungenes Wasser aus dem Rahmen wieder ablaufen kann und gleichzeitig zur Befestigung einer Zugführung aus Kunststoff. Diese muss nur in dieses 8mm Loch eingesteckt werden. Die Sache hat nur einen Haken: Dieses Teil gibt es nicht mehr. Zumindest habe ich keinen Händler gefunden der mir ein's verkauft hätte.
Heute gebräuchlich sind Kunststoffzugumlenkungen zum Schrauben. Geschraubt wird dieses Kunststoffteil mit einer M4-Schraube. M4-Schraube in ein 8mm Loch wird auf jeden Fall spannend! Der Hersteller dieser Kunststoffumlenkung hat jedenfalls mitgedacht und hier ein Langloch zur Befestigung angebracht. Das Langloch ist groß genug, dass ich neben dem 8mm Loch noch ein Loch bohren und ein M4-Gewinde rein schneiden konnte. Kunststoffumlenkung angeschraubt und fertig!





Jetzt folgt der Einbau der Sattelstütze. Gekauft habe ich eine günstige Sattelstütze in silbernen Aluminium. Achtung beim Kauf auf den Außendurchmesser! Hier geht es wirklich um Zehntel! In meinem Falle eine gängige Größe: 27,2mm. Die Sattelstütze ist 300mm lang und wiegt knapp 300g.



Nachdem es aber völlig ausreicht wenn ca. 100mm der Sattelstütze im Sattelrohr klemmen, kann man den Rest getrost weg schneiden. Also, die Sattelstütze gekürzt, und den aufgeworfenen Grat sauber verschliffen. Anschließend festgestellt, dass die Stütze noch ein wenig gekürzt werden kann, also das Ganze noch mal gekürzt! Wer will schon unnötig Ballast mitschleppen.





Übrig bleiben ca. 250g Sattelstütze und zwei Rohrstücke.



Weiter gehts mit dem Einbau des Innenlagers und der Kurbel. Eine genaue Beschreibung der Kurbel und der Übersetzung findet Ihr hier: klick!
So sieht sie fertig eingebaut aus:




Als nächstes kommt ein Umwerfer ran. Nachdem kein Anlötsockel vorhanden ist, brauche ich einen Umwerfer mit Schelle. Einen passenden Umwerfer mit Schelle gibt es aber nicht, da die heutigen Rahmen alle dicker sind als mein zierlicher Stahlrahmen mit 28,6mm. Also muss erst eine passende Anlötschelle montiert werden und anschließend ein Umwerfer für Anlötsockel. Warum einfach, wenn's kompliziert auch geht?

Umwerfer Campagnolo Centaur 2/10 fach Compact. Anlötversion an Anlöt-Schelle angeschraubt. 121g.





Nun ist es auch soweit, dass das Kind wieder einen Namen bekommt.

Schriftzug am Sattelrohr:




Irgendwann müssen Laufräder dran, dass man damit auch fahren kann. Hier das fertige von mir eingespeichte Vorderrad:



Das Thema Laufräder und Einsepeichen der selbigen füllt ganze Bücher. Ich möchte dieses Thema jetzt nicht zu sehr vertiefen, also beschränke ich mich auf die Fakten:

Felge: Kinlin XR-300
Nabe: Bitex RAF 12
Speichen: Sapim CX-Ray
20 Speichen radial eingespeicht
Gewicht: 660g

Das Hinterrad kann noch nicht eingespeicht werden, da die Nabe derzeit nicht lieferbar ist. Also muss ich mich mit anderen Dingen beschäftigen. Die Bremsen können ja schon mal angeschraubt werden. Auch hier heißt es wieder aufpassen. Bei alten Stahlrahmen muss man genau aufpassen welche Bremsen angeschraubt werden können. Ich hatte das Glück, dass die Bohrungen im Rahmen und der Gabel das Anbringen von modernen Bremsen erlaubt. Trotzdem muss man noch darauf achten welche Schenkellänge benötigt wird. Bei modernen Rahmen befindet sich der Befstigungspunkt der Bremsen näher am Reifen als bei alten Rahmen. Dies erlaubt kürzere Bremsschenkel und somit ein besseres Hebelverhältnis und somit bessere Bremsleistung. Für ältere Rahmen sind längere Bremsschenkel nötig. Dies schränkt die Auswahl an Bremsen deutlich ein! Ich habe passende Bremsen von Shimano, Tektro und Miche gefunden. Da ich vor habe eine italienische Schaltung anzubauen, habe ich mich auch für die italienischen Bremsen entschieden.

Miche Performance:



Dann gehts weiter mit der Schaltung. Nach einer langen Fase der Entscheidungsfindung habe ich mich dann letztendlich für die Campagnolo Veloce entschieden. Chorus und Record waren mir einfach zu teuer. Blieben noch die Veloce und Athena übrig. Irgendwann bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass 2 mal 10 Gänge ausreichend sind. Athena wäre 2 x 11 gewesen. An meinem aktuellen Rahmen fahre ich 2 x 8. Das funktioniert ja irgendwie auch.
Hier das fertig angebaute hintere Schaltwerk, 230g (Das Hinterrad ist von einem alten Laufradsatz):




Zu kleinen Problemen führte der hintere Zugendanschlag. Die hier angelötete Öse ist kleiner als bei modernen Rahmen. Hier ist also eine spezielle Hülse nötig. Die war etwas schwer zu bekommen aber ich bin trotzdem fündig geworden.



Die Bremsschalthebel vorne am Lenker. Noch ohne Lenkerband. Incl. Züge 630g.




Leider war die von mir geplante Nabe für das Hinterrad nicht mehr lieferbar. Einziger Ausweg war letztendlich ein Import aus Amerika. Hier also das fertig eingespeichte Hinterrad:



Felge: Kinlin XR-300 32-Loch
Nabe: Bitex RAR 12
Speichen Antriebseitig (rechts): Sapim Race
Speichen Gegenseite (links): Sapim CX-Ray
24 Speichen in Tripleteinspeichung (2:1) eingespeicht. Also rechts 16 Speichen 3-fach gekreuzt, links 8 Speichen radial eingespeicht.
Durch das auslassen von jeder vierten Bohrung in der Felge entsteht dieses schöne Speichenmuster.
Gewicht: 850g
Zusammen mit dem Vorderrad ergibt das einen Laufradsatz mit 1510g. Eigentlich wollte ich die 1500g-Marke knacken. Knapp verfehlt, aber trotzdem ganz ordentlich.

Als ich dann das Rad fertig montiert hatte, habe ich gemerkt, dass da noch eine Kleinigkeit stört:



Verdammt wenig Luft zwischen dieser kleinen Schraube und dem Reifen. An der Schraube war wohl irgendwann mal ein Schutzblech angeschraubt. Nachdem ich eh nicht vor habe ein Schutzblech zu montieren kann die Schraube also gerne weg. Also noch mal Hinterrad und Bremse abmontiert und die Säge raus geholt.

Vorher:



Nachher:



Anschließend wieder alles montiert und siehe da, der Reifen hat genügend Platz und streift nicht mehr. - Und ein wenig Gewicht habe ich auch noch eingespart.




Dann noch die Zahnkranzkassette montiert. Campgnolo Veloce 13-26. Ob die Übersetzung dann wirklich passt, wird sich noch rausstellen.



Hier das Ganze im fertig eingebauten Zustand:





Jetzt zu einer meiner Lieblingsbeschäftigungen: Lenkerband wickeln.





So, fast fertig. Fehlt nur noch ein neuer Sattel und vernünftige Pedale.

Gesamtgewicht mit Übergangssattel und ohne Pedale: 9,0 kg. Besser als ich geplant hatte.